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  • Das Selbst, das Ego und das Ich
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Drei Namen für scheinbar dasselbe. Aber alle drei bedeuten etwas deutlich anderes. SELBST-vertraut zu sein, ist etwas sehr positives. Ein starkes ICH zu haben, also Souveränität, Präsenz, Durchsetzungskraft etc. ebenso. Aber ein starkes EGO ist nicht so positiv belegt. Es kommt sehr breitbeinig und mit viel Ellebogen daher. Also offensichtlich gibt es Unterschiede.

Die Unterscheidungen sind wichtig, weil viele Menschen - insbesondere Frauen - sich oft sehr zurücknehmen, um auf keinen Fall bei Mitmenschen unter Ego-Verdacht zu geraten. Und dabei schütten sie meist das Kind mit dem Bade aus, dass eben auch die gesunde Ich-Entwicklung und das Selbst-Vertrauen darunter leiden. 

Heinz Deuser, der Begründer der Arbeit am Tonfeld, definierte die Verhältnisse von Ich und Selbst einmal wie folgt: 

  • Das Selbst ist das anordnende Prinzip.
  • Das ich ist das Antwort-gebende Prinzip.

Klug formuliert - versteht nur keiner. Gemeint ist damit Folgendes: 

Es gibt einen großen Teil in uns, über den wir nicht verfügen: Alles Spontane. Das Spontane überkommt uns. Wir können es nicht planen. Und könnten wir es planen, wäre es nicht mehr spontan. Natürlich gibt es Menschen, die von sich behaupten, sie seien nicht sonderlich spontan. Das mag dann für die großen, prinzipiell planbaren Aktionen oder Projekte gelten, aber im Kleinen, in den Gestiken, den Handbewegungen, den Hinwendungsimpulsen sind wir jede Sekunde spontan. Wenn wir aber das Spontane nicht planen oder 'machen' können, es also in uns 'einfällt', dann müssten wir eigentlich permanent von uns überrascht sein. Sind wir aber nicht. Würde eine Maschine, ein Auto z.B., die meiste Zeit irgendwie hin und her ruckeln, mal den Scheibenwischer ein bisschen über die Scheibe streifen, bisschen mit dem Licht flackern, kurz nach vorne ruckeln - wir kämen aus dem Staunen nicht heraus. Aber unsereins macht dergleichen ständig. 

Test 

Das Selbst - der Kern, der wir sind

Dass wir uns selbst nicht permanent als eigenes Überraschungsei fühlen, liegt offenbar daran, dass erstens das Gefühl haben, wir könnten das Spontane auch jederzeit unterbrechen oder in eine ganz andere Richtung lenken (ohne zu bedenken, dass die Idee dazu auch eine spontane Idee wäre, wie aus dem Nichts geboren). Und zweitens scheinen wir uns an die Art unseres Spontanseins gewöhnt zu haben. Wir sind immer in ähnlicher, bekannter Weise spontan - der eine impulsiver, der andere sanfter, der dritte zappeliger usw. Im Spontanen, also ausgerechnet in dem Seelenwinkel, über den wir keine Verfügungsmacht haben, drückt sich aus, wer wir zutiefst und unverstellt sind. 

Dieses Spontane ist zunächst ohne klare Intention. Aber jeder Willensakt und jede Motivation braut sich aus eben diesen zunächst so unscheinbaren spontanen Impulsen zusammen. Dazu müssen sie sich verdichten, Richtung gewinnen oder Ausrichtung. Und dieses Verdichten geschieht im konkreten Tun. 

Das, was unser spontanes Tun hervorbringt, ursachelos, sozusagen die spontane Impulsorganisation, das ist unser Selbst, was uns zutiefst ausmacht und wer wir sind. Es ist eine Instanz, die sich selbst nicht kennt (und nicht kennen kann), die aber einen lebendigen Ausdrucksdrang in sich trägt und sich auch nur in so weit als wirklich und wahr erfährt, wie sie sich eben konkret ausdrücken kann, und zwar an der realen Welt. Ausdrücken heißt: Etwas tun, verändern, verwandeln, und zwar in der Weise, wie es diesem Ausdrucksstreben entspricht. Diese Suche nach realer Entsprechung eines seelischen lebendigen Dranges, das ist jenes anordnende Prinzip. Das seelische ist etwas Abstraktes, die Welt etwas Konkretes. Selbst-Verwirklichung heißt also, das seelische Ausdrucksstreben quasi materiell wirklich werden zu lassen - und sich an diesem Akt selbst zu begreifen (= Selbst-vertraut werden). 

Die Entwicklung des Ichs

Dieser Umschwung von seelisch-abstrakt zu materiell-real ist DER Schöpfungsakt schlechthin, ein Quantensprung (nicht nur metaphorisch gemeint, sondern tatsächlich von der Struktur her genau so wie ein Quantensprung in der Physik, der das Scharnier bildet zwischen dem Ganzen und dem Teil). Innerhalb dieses Umschwungs entsteht - gewissermaßen genau in der Mitte, exakt in der Wechselbeziehung von der eigenen Ganzheit und dem (zu erschaffenden) Teil das Wollen. Der besagte Verdichtungsprozess vollzieht sich vorzugsweise am Materiellen, Konkreten (bei Erwachsenen kann das Konkrete auch durch Begriffe - also an dem, was wir mal er- und begriffen hatten - repräsentiert sein. Von daher kann sich jenes Verdichten z.T. auch in der Denkarbeit vollziehen). 

Indem also Richtung und Intention in unsere spontanen Impulse einzieht und der Wille erwacht, übernimmt eine andere Instanz die weitere Handlungsplanung: Das Ich. Hirntechnisch gesprochen hat das Ich seinen Sitz im Großhirn, dort wo auch das reflexive Bewusstsein ausbaldovert wird, während das Selbst im Stammhirn residiert. Das gesund sich entwickelnde Ich ist gewissermaßen die ins Bewusstsein erwachende Antwort auf die Impulse des Selbst. Es ver-antwortet all das, was wir so tun, kann es erklären, warum wir dies oder jenes tun, auch wenn es in Wirklichkeit nur ein Echo ist auf den spontanen Ausdrucksdrang. Daher nannte es Heinz Deuser das Antwort-gebendes Prinzip.

Das Ego - die Angstform des Ich

Leider gestaltet sich das Wechselverhältnis von Selbst und Ich nicht immer frei, unverkrampft und persönlichkeitsstrukturierend. Der Hauptgrund dafür sind innere Engstellungen, sprich Ängste. Wir fürchten uns vor den Urteilen, Erwartungen oder Meinungen anderer Menschen, selbst wenn wir das gerne offiziell abstreiten (ich doch nicht!). Die Angst etwa, nicht gut genug zu sein, ist aber z.B. eine häufige Angst genau vor solchen unausgesprochenen Urteilen anderer Menschen. 

Wenn der Weg der Ich- oder Selbst-Werdung mit gewichtigen Ängsten dieser Art gepflastert ist, dann wird das Ich - das wissende, kontrollierende - nicht mehr zum Match-Partner des Selbst, sondern zu dessen Torwächter. An das Selbst, den Kern unseres Wesens, darf nichts mehr dran kommen, keine Kritik, nichts Verletzendes, gar nichts. Also postiert sich das Ich besonders breitbeinig und ellebogig und beißt alles weg, was nicht umschmeichelt. Eine Ich-Reifung, die jene Wechselbeziehung von Selbst und Ich voraussetzt, ist dann kaum mehr möglich. Ego-zentrierte Persönlichkeiten, so beißstark und mächtig sie auftreten, sind von daher unreife, nicht ausgegarte Persönlichkeiten - ... und schon gar nicht gelassen.

Das Ego ist die Angstform des Ich. 


Das gesunde Ich - die erwachte Form des Selbst

Es gibt diese grundgesunde Ich-Entwicklung, ein Erwachen zu sich selbst. Mit Wichtignehmerei, mit Gut-Dastehen-Wollen, Vorzeigbarkeit o.ä. hat das nichts zu tun, genauso wenig wie mit Bescheidenheitsallüren. Ein gesundes Ich ist eines, das in sich ruht, kein Bedürfnis hat, irgendwelches 'Lametta' hinzuzufügen oder etwas wegzunehmen. Es zeigt sich als aufrechter, nicht schwankender, klarer Mensch, an dem auch andere Halt finden, ohne irgendjemanden dominieren zu wollen. 

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