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Der haptische Sinn ist weit mehr als nur der Tastsinn. In ihm fließen Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung (der eigenen Bewegung) ineins zusammen. Kein anderer Sinn vermittelt so genau zwischen den eigenen, abstrakten inneren Zuständen und der äußeren realen Welt Wir ‘realisieren’ gewissermaßen uns im haptischen Sinn, ver’wirklichen’ uns im Handeln. Natürlich sind z.B. auch die Augen zu einer Eigenbewegung fähig, aber die Bewegung erfasst nicht den ganzen Leib und ist zu klein und zu lokal, als dass der Mensch sich darin selbst begegnen würde. Gleichwohl lässt sich aber selbst auf diese kleine Eigenartikulation eine ganze Therapieform aufbauen, die so genannte EMDR

Selbstwahrnehmung über den Ausdruck der Hände

Tiere nehmen die Welt hauptsächlich über die Nase wahr. Aber die Nase sitzt starr im Daseins-Zentrum, d.h. im Gesicht, und verfügt dadurch über keinerlei Möglichkeit des Selbstausdrucks. Deshalb kommt das Selbst der Tiere in ihrer Welterfahrung praktisch nicht vor. Sie begegnen nirgends sich selbst (ihrem Selbst-Ausdruck) und sind somit auch zu keiner Selbst-Erkenntnis fähig. Die ganze Bewusstseinsentwicklung des Menschen hat ihren Ausgang genommen mit der Verlagerung der Welterfassung von der Nase in die Hände. Der Hund ist ganz ‘Nase’, der Mensch ganz ‘Hand’ (was durch die viele Kopfarbeit, die wir heutzutage leisten, im Grunde nur verschleiert wird).  

Der Mensch hat nicht Hände, sondern er ist in seinen Händen versammelt. Die ganze Art, zu sein, kommt zum Ausdruck, wie wir mit der realen, äußeren Welt in Beziehung treten, zögerlich, zupackend, zärtlich, bestimmt, vage, verhalten, vehement usw. Nur indem wir uns etwas Äußerem hinwenden, begegnen wir in der Art der Hinwendung unserer Eigenart. Normalerweise fällt uns die Eigenwahrnehmung bewusst gar nicht auf. Wie sehr sie trotzdem präsent ist, zeigt sich, wenn wir uns selbst zu kitzeln versuchen. Hier wird die Eigenbewegung sofort mit der Selbstwahrnehmung verrechnet und abgeglichen – und es kitzelt nicht. Entsteht hier aber eine Differenz, indem jemand anderes die gleiche Bewegungen vollzieht, kitzelt es. Das macht auch die Berührung zwischen Menschen und insbesondere die Begegnung in der Sexualität so interessant. 

Die Basissinne

Der haptische Sinn gliedert sich in 3 Basissinne:  

Selbstwahrnehmung in den verschiedenen Qualitäten der drei Basissinnen

Verschiedene Qualitäten der Selbstwahrnehmung in den drei Basissinnen

Ist z.B. der Hautsinn nicht voll entwickelt oder präsent, wirkt der Mensch meist hölzern und technisch, weil er nicht berührt ist von dem, womit er umgeht. Er kann sich nicht nähren aus dem, was er tut, was dann häufig zu Sinnkrisen oder Ausgebranntheit führt. Arbeitet jemand am Tonfeld sehr einseitig, d.h. ungleichgewichtig, dann zeigt sich in aller Regel eine Schwäche in der Willensbildung. Wer in der Vertikalen instabil ist, irgendwie herum’eiert’ oder herumhängt, sich schlapp lacht, findet selten zu einer klaren Ausrichtung und Willensbildung.

In der Arbeit am Tonfeld kann man den handelnden Menschen so ansprechen, dass er in seiner Selbstorganisation zu einem Ausgleich und zur Gleichgewichtigkeit findet, was sich dann unmittelbar auf die gesamte seelische Organisation auswirkt.

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