Brauchen kann es jeder, und wünschen tut sich's auch so ziemlich jede und jeder: Selbstvertrauen. Wer davon zu wenig hat, kann im Internet googlen. Da gibt es tausende Kurse und Übungen, wie Selbstvertrauen oder Selbstbewusstsein 'hergestellt' werden kann. Ja, hergestellt. Z.B. durch folgende 14 Übungen:
- Arbeite an Deiner Körperhaltung (aufrichten, Schultern zurücknehmen...)
- Lerne Dich kennen (die Stärken, die Schwächen, Visionen ...)
- Tu etwas Bedeutsames (Kinder erziehen - geht ja nicht anders, Ehrenamt, im Beruf)
- Verlasse Deine Komfortzone (Dinge tun, die Überwindung kosten. Puhhh)
- Umgibt Dich mit starkem Umfeld (bist Du der Beste im Raum, bist Du im falschen Raum)
- Sorge für Dich (Grenzen einhalten, Ruhe und Entspannung gönnen ...)
- Bringe den inneren Kritiker zum Schweigen (immer feste druff)
- Mache Dir Komplimente (das Gleiche wie eben, nur jetzt in grün)
- Lächle (verbessert die Ausstrahlung. Wer mehr strahlt, strahlt mehr aus)
- Lerne, nein zu sagen (... wenn Du überredet werden sollst; oder Ja, wenn Du Dich schämst)
- Beende ein Projekt (was geschafft zu haben, macht mehr her als nix geschafft zu haben)
- Setze Dir große Ziele (erlaube Dir, groß sein zu dürfen - so richtig)
- Sorge dafür, dass Du Dich in Deiner Haut wohlfühlst (Kleidung, Essen, Sport, Haut sowieso...)
- Sei geduldig mit Dir (falls alles Vorherige nicht klappt; vielleicht später)
Nette Aufzählung, alles richtig. Wenn ich trotzdem die einzelnen Punkte ein bisschen flapsig kommentiere, dann nur deshalb, weil ich eine unwillkürliche Abneigung gegen alles Rezepthafte hege. Als wäre der Mensch 'machbar'. So ist es doch nicht. Schopenhauer hatte bereits erkannt: Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. Wir müssen ja auch an unser Wollen herankommen. Gäbe es dieses Problem nicht, wäre es einfach. Dann würde sich jedeR die 14 Tipps schnappen, sie der Reihe nach abarbeiten und fertig. Selbstbewusstsein - wo ist Dein Problem.
Der Blick durch die Tonfeld-Brille
Wenn ich durch die Tonfeld-Brille schaue - und ich bin nun mal ein notorischer Tonfeld-Brillenträger - dann erscheint das Wort Selbstvertrauen bzw. Selbstbewusstsein in anderem Licht. Da gibt es in uns ein Selbst, das wir sind, und ein Ich, das weiß, dass wir sind. Die hängen zusammen wie Pat und Patterchen - als Sein und Bewusst-Sein.
Selbst-Bewusstsein bedeutet demnach, dass das Ich zumindest mal so ungefähr weiß, wie das Selbst tickt und dass die beiden Freunde sind. Falls dann mal jemand wagen sollte, am Selbst herum zu kritteln, springt das Ich in die Bresche und verteidigt es wacker wie ein großer Bruder den kleinen.
Selbst-Vertrauen ist im Unterschied dazu noch mal von 'wärmerer' Qualität. Da mögen sich die beiden fraglos, und diese 'große Bruder-Attitüde' spielt keine Rolle. Im Selbst-Vertrauen ruht das Ich viel mehr an der Seite des Selbst (oder im Selbst), und andere kommen bei diesem Zustand kaum mehr auf die Idee, großartig herum zu kritisieren. Vertrauen ist Vertrauen - das hat nichts mit Verteidigungsbereitschaft zu tun.
Dieses tiefe Vertraut-Werden mit sich selbst ist der eigentliche Kern der Arbeit am Tonfeld. Über das besondere Wechselverhältnis von Selbst und Ich wird noch mal ein anderer Life-Letter erscheinen. Hier nur so viel: Das Selbst ist unser Lebensdrang, es ist jene Instanz, aus der die spontanen Selbst-Ausdrucksimpulse hervorquellen. Diese Impulse sind nichts anderes als unzensierte Handlungsbereitschaften, ncht Handlungen, sondern Bereitschaften. Und das Ich muss sie durchwinken oder von seinem beanspruchten Vetorecht Gebrauch machen, und die Impulse unter Hemmung setzen (manchmal ist das Ich eine ziemliche Spaßbremse).
Selbst-Vergessenheit als Ausgangspunkt der Selbst-Vertrautheit
Die Arbeit am Tonfeld ist so konzipiert, dass wir uns direkt von Anbeginn an in unseren spontanen Ausdrucksimpulsen erwarten können. Das Ich darf zunächst mal Urlaub machen und kann (und soll) später mit hinzu kommen. Aber erst dann, wenn das Selbst in seiner Ausdrucksdynamik hinreichend 'Schwung' aufgenommen hat. Der am Tonfeld-Arbeitende wird also anfangs immer in einer Weise begleitet, dass er in die Selbst-Vergessenheit abtauchen kann. Das Ich darf sich entlastet fühlen, muss nicht hinschauen, nicht kontrollieren, nicht aufpassen - der Begleiter ist da, übernimmt diesen 'Job'; es kann also nichts passieren.
Wenn wir (als Tonfeld-Arbeitende) dann in unserem Schwung sind und unser eigentliches Lebensbedürfnis ein Stückweit von der Leine lassen, entsteht von selbst ein Streben nach Klarheit - nie nach Verklärung. Klarheit bedeutet, dass wir uns unseres vitalen Dranges irgendwie bewusst werden. Was in uns nach Erfüllung drängt, verdichtet sich auf einmal zu einem Hand-festen Wollen. Dieser Verdichtungsprozess ist der Urquell unserer intrinsischen (von selbst bzw. vom Selbst hervorgebrachten) Motivation.
Im Erleben der Übereinstimmung von Selbst und Ich erwächst das Selbst-Vertrauen.
Übereinstimmung heißt: 'Sich eins stimmen', zusammenklingen. Wir können uns darin nicht beobachten - dann säße das Ich außen vor und mit der ÜbereinStimmung wäre Essig - wir können sie nur erleben. Sie geschieht.
Das geschieht bei Erwachsenen, es geschieht bei Kindern (die oben genannten 14 Punkte mögen für Erwachsene tauglich sein, aber wie bringt man das Kindern nahe, wenn sie es sind, die zu wenig Selbst-Vertrauen haben?). Die Arbeit am Tonfeld macht da keinen Unterschied. In der Praxis sehe ich ja am lebendigen Beispiel, wie gut das immer wieder gelingt. Da ist nie die Frage: wie trete ich selbstbewusst auf, wie behaupte ich mich gegenüber anderen, welche Techniken kann ich einsetzen. Das Selbst-Bewusstsein wächst dort auf dem Boden des Selbst-Vertrauens. Und das lässt sich eben nicht erstreiten. Es ist der tiefere Zustand, der ruhendere, während das Selbst-Bewusstsein die nach außen - und ggf. auch sich selbst gegenüber - gezeigte Form ist.
Anstrengungslose Selbstregulation
Im Zustand des Selbst-Vertrautseins richtet sich der Körper bzw. die Körperachse von selbst auf. Wenn ich die obige Liste durchgehe, dann erledigen sich die meisten Punkte en passent. Die Sorge für sich selbst, das Wohlfühlen, das Lächeln, das Geduldig-und Befreundet-sein, all dies ist in der Arbeit am Tonfeld zwanglos mit eingepreist. Und das Sich-selber-kennenlernen muss hier nicht per Fragenkatalog überlegt werden, sondern geschieht auf die organischste Weise. Anstrengungslos. Schließlich ist da noch der innere Kritiker - mit Tonfeldbrille das Ich, wenn's gerade mal wieder streng drauf ist - auch das muss sich bei dieser Arbeit nicht selbst den Mund verbieten. Hier geht es anders: Es legt sich ins Bett des Selbst. Und wo zwei im Bette liegen, da wird naturgemäß meist wenig geplaudert.
Die Arbeit am Tonfeld ist freilich vielfältiger. Nicht jedeR, der ans Tonfeld kommt, hat das Thema Selbstvertrauen oder Selbstbewusstsein ganz oben auf der Agenda stehen. Aber egal, was da steht, im Nebeneffekt geschieht immer auch eine Stärkung des Selbst-Vertrauens. Es lässt sich nicht vermeiden. Die meisten - grob geschätzte 100% - können damit gut leben.
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